Im Zentrum der Geschwindigkeit
1994 bis 1996

Im Zentrum der Geschwindigkeit #13, 1994
Der Bau des Tunnels unter dem Ärmelkanal ist das Symbol
für die Konstruktion Europas und die Erschliessung seines
Territoriums. Bei dieser Erschliessung stehen Hochgeschwindigkeitskommunikations
und Verkehrsnetze an privilegierter Stelle. Die Macht hat
über das justintime der
Kommunikationslogistik entschieden. Geschwindigkeit und justintime
bis zur (Über)Sättigung werden Attribute der Macht
selbst.

Im Zentrum der Geschwindigkeit #03, 1996
Die Aufhebung der natürlichen Hindernisse geht notwendig
einher mit einer Banalisierung des Reisens, mit einer kosmopolitischen
Uniformisierung der Transitorte und sogar der Reiseziele selbst,
die sich in einer aus Piktogrammen und Elementarenglisch bestehenden
"Sprache artikuliert. Ob es einmal wie bei der
Transsibirischen Eisenbahn, beim Simplon Orient Express, oder
der Etoile du Nord eine Prosa des Eurostar geben wird?
Wolfgang Zurborn hat sich an zwei gleichermaßen bezeichnenden
Momenten für diesen "Kompressionspunkt von
Bedeutungen der zeitgenössischen Welt interessiert. Entscheidend
ist für ihn zum einen der Moment der Einweihung als Zusammenspiel
öffentlichkeitswirksamer Projektion von Bildern und,
wenn möglich, sonstiger überhöhender Einstimmungen
denn im Grunde ist ja ein Pendelzug nichts weiter als
eine internationale U-Bahn. Das zweite Moment bildet die Cité
de lEurope, die ein ständiges Panorama des Kontinents
sein will und sich in Form eines Einkaufszentrums darstellt.

Im Zentrum der Geschwindigkeit #22, 1995
Hätte man sich ein besseres Symbol ausdenken können?
Merkwürdige Reminiszenz: 1844 interessierte sich Turner
mit seinem Gemälde Rain, Steam and Speed erstmalig für
die Eisenbahn und ahnte damit schon die mit der Geschwindigkeit
verbundene Veränderung der Wahrnehmung von Welt. Eine
Welt flüchtiger Eindrücke, die für Monet und
Pissaro zur Offenbarung werden sollte.
Rund um das zentralste Dispositiv des Hochgeschwindigkeitszugs
hält dagegen Wolfgang Zurborn den just-intimeFluss
der bewegten Bilder an, in denen wir leben. Dieses ironische
Anhalten ist eminent politisch. Nicht mehr der Konsument,
nicht der Kunstliebhaber, der Bürger ist verlangt.
Er braucht Zeit und Stille zum Denken. Pierre Devin
Aus dem französischen übersetzt von Stefan Barmann
Diesen Text können Sie auch als PDF
downloaden.

Im Zentrum der Geschwindigkeit #8, 1996
|