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dressur real

 

Mit dem Buch dressur real von Wolfgang Zurborn startete der J. Strauss Verlag in Potsdam im Mai 2001 eine Reihe über zeitgenössische Fotografie mit dem Titel Zeitsprung.

Bilder aus verschiedenen Serien der letzten 14 Jahre fügen sich in einer fast filmischen Montagetechnik zu einer komplexen Erzählung voller ironischer Brüche über alltägliche Szenen in einer von Mythen der Medien geprägten Welt.

dressur real
Wolfgang Zurborn
Hrsg.: Klaus Honnef
Soft Cover, 30 x 24,5 cm,
80 Seiten, 73 Farbabbildungen
Zeit Sprung 2001
J. Strauss Verlag Potsdam
978-3-929748-21-5

“[…]Wolfgang Zurborn liefert mit seiner Werkgruppe „dressur real“ die Probe aufs Exempel und zeigt mit fotografischen Mitteln, dass die Fotografie nicht weniger als die Malerei oder die digitalisierten Bilder stets und unweigerlich eine Konstruktion des sichtbar Realen – in zweifacher Bedeutung des Wortes – darstellt, unbeschadet ihrer indexikalischen Struktur als physischer Abdruck von Spuren eines einmal Gewesenen.

Entsprechend komplex ist das Gefüge seiner Bilder, sowohl auf der anschaulichen als auch der formal-abstrakten Ebene. Zugleich verschränken sich in diesen Ebenen andere Ebenen unterschiedlichen Ursprungs und unterschiedlicher Dichte, Raum und Zeit, Natur und Kultur, Mensch und Dingwelt, Zeichen und Bezeichnetes. Teils vernetzen sie sich, teils ergeben sich die verschiedenen Ereignisebenen kraft Perspektive, Ausschnitt und Beleuchtung augenscheinlich von selbst[…]”

von Klaus Honnef
aus dem Vorwort zum Buch dressur real

 

Fotografien

 
Einzelausstellungen
2006 dressur real
Kulturhaus Osterfeld, Pforzheim, Deutschland
2005 dressur real
Prospekto Gallery, Vilnius, Litauen
2003 dressur real
Galerie Schulgasse 18, Eibelstadt, Deutschland
2003 dressur real
Galeria FF, Lodz, Polen
2003 dressur real
Dokument 03, BildensHus,, Sundsvall, Schweden
2002 dressur real
Galerie Coiffeur Burg, Leinfelden-Echterdingen, Deutschland
2002 dressur real
Alte Feuerwache, Mannheim, Deutschland
2001 dressur real
Photography Now, Berlin, Deutschland
2001 dressur real
L'Usine Galerie, Brüssel, Belgien
2001 dressur real
6. Internationale Fototage, Herten, Deutschland
2001 dressur real
Schaden.com, Köln, Deutschland
2001 dressur real
Galerie Lichtblick, Köln, Deutschland
2000 dressur real
Monreal & Poppen, Art Consulting, Bonn, Deutschland
2000 dressur real
International Meetings of Photography, Plovdiv, Bulgarien
Gruppenausstellungen
2016 Space Veggies and Earth Plants
Rencontres d'Arles
Arles, Frankreich
2010 Pixelprojekt Ruhrgebiet
Wissenschaftspark Gelsenkirchen, Deutschland
2010 T.I.M.P.–Kunst im Etablissement
ehemaliges Hotel Timp, Köln, Deutschland
2007 Mistigris – Contemporary German Photography
Gallery at University of Texas at Arlington, Arlington, Vereinigte Staaten
2007 Back from Dallas
Galerie Lichtblick, Köln, Deutschland
2004 Best of 5
L’Usine Galerie, Brüssel, Belgien
2004 Von Körpern und anderen Dingen – Deutsche Fotografie im 20. Jahrhundert
The Museum Moscow House of Photography, Moskau, Russland
2004 Von Körpern und anderen Dingen – Deutsche Fotografie im 20. Jahrhundert
Museum Bochum, Deutschland
2003 Von Körpern und anderen Dingen - Deutsche Fotografie im 20. Jahrhundert
Deutsches historisches Museum, Berlin, Deutschland
2003 Von Körpern und anderen Dingen - Deutsche Fotografie im 20. Jahrhundert
City Gallery, Prag, Tschechien
2002 VorOrt
Galerie der Künstler, München, Deutschland
2001 Split View
Projektraum M 54, Basel, Schweiz
2000 (in)realidados Encontros da Imagem
Braga, Portugal
(Katalog)
2000 Ist die Photographie am Ende?
Aktuelle Photo- und Medienkunst
Internationale Ausstellung mit Symposion der DGPh, Halle, Deutschland
(Buch)
1997 Susanne Greven, Maix Mayer, Wolfgang Zurborn
Fotografische Arbeiten
f • m • schwarz galerie, Köln, Deutschland
1995 Heimatkunde
Fototage, Herten, Deutschland
 
 

Rezensionen

Wolfgang Zurborn

Auslöser, Ausgabe 1 - März 2019

von Niko Havranek & Sebastian Gansrigler

Interview von Niko Havranek & Sebastian Gansrigler mit Wolfgang Zurborn auf 28 Seiten mit 24 Abbildungen aus den Serien “Vorgarten der Illusionen”, “Menschenbilder-Bildermenschen”, “LUsionen”, “dressur real”, “Im Zentrum der Geschwindigkeit”, “Drift”, “Catch”, “Mitten im Westen” und “Karma Driver”

 

Momentaufnahmen aus dem Alltag

Ausstellung 'Um ein Haar' mit Fotoarbeiten von Stefanie Minzenmay und Wolfgang Zurborn
Neuß-Grevenbroicher Zeitung, 3.Februar 2017

von Helga Bittner

 

Die hohe Kunst der Augentäuschung

Die große Frankfurter Foto- und Videokunst-Ausstellung 'Imagine Reality'. die im Zentrum von Ray steht, trägt zusammen, was einen zweiten und dritten Blick braucht
Frankfurter Rundschau, 20./21.Juni 2015

von Sylvia Staude

 

Als wär's ein Gemälde von Jeff Koons

Frankfurter Triennale Ray 2015
Frankfurter Neue Presse, 31.08.2015

von Eugen El

 

Visuelle Forschungsreise

Ausstellung Dressur real des Fotografen Wolfgang Zurborn im Foyer des Kunsthauses Osterfeld
Pforzheimer Zeitung, 12.4.2006

von Sebastian Giebenrath

 

The German view

British Journal of Photography

von Mike Crawford

 

Prague: The city gallery

contemporary

von Bill Kouwenhoven

 

Von Körpern und anderen Dingen - Deutsche Fotografie im 20. Jahrhundert

Die von Klaus Honnef und Gabriele Honnef-Harling kuratierte Austellung macht Station in Berlin
PHOTONEWS, 11/2003

von Peter V. Brinkemper

 

Wolfgang Zurborn, dressur real

von Wolfgang Vollmer

 

Fragmente der Alltagswelt

AUSSTELLUNG: Wolfgang Zurborn in der Alten Feuerwache
Mannheimer Morgen, 18.01.2002

von Barbara Foerster

 

Wenn Ungeheuer die Zähne blecken

Fotografien des gebürtigen Ludwigshafeners Wolfgang Zurborn in der Alten Feuerwache
Die Rheinpfalz, 23.01.2002

von Hans-Ulrich Fechler

 

Im Labyrinth der Welt: Bilder wider die Harmonie

FAZ, 7.2.2002

von Freddy Langer

 

Subtiles mit Methode

Internationale künstlerische Positionen zum Thema Architektur und Stadtraum
Landshuter Zeitung, 6.7.2002

von Joachim Goetz

 

dressur real (1986-2000)

Bulletin der Deutschen Fotografischen Akademie, vol.17 - 2001
 

Ein Fest für Deutschland

6. Internationale Fototage Herten
PHOTO Technik International, 4/2001

von Hans-Eberhard Hess

 

Eine Dressur im Lichtblick

Kölner Stadt-Anzeiger, 4.5.2001
 

Leben braucht Chaos

Buchvorstellung: Kölner Fotokünstler Zurborn bringt dressur real heraus
Kölner Stadt-Anzeiger, 26.April 2001

von Rainer Hartmann

 

Fokus auf Wolfgang Zurborn

Frankfurter Rundschau Magazin, 11. August 2001

von Silke Hohmann

Die „dressur real“ ist eine vielseitige Disziplin. Ginsterbeete sorgsam mit Betonplatten einfassen; krakenartige Kakteen in Pflanzkübel zwängen, als Zierde für den öffentlichen Raum. So üben sich die Menschen darin, die Natur in den Griff zu bekommen. Auch Wolfgang Zurborn, der dieser Disziplin den Namen gab, ist dann oft mit seiner Kamera zur Stelle. Er hält diese Dressurversuche fest, und findet seine Motive auf Straßen und Plätzen, in Vergnügungsparks, am Rand von Großveranstaltungen – überall da, wo jemand eingeschritten ist, um den Dingen eine begreifbare Ordnung zu verleihen und dem Chaos ein Ende zu setzen. Leider oftmals vergeblich, wie auf den Arbeiten des Fotokünstlers zu sehen ist.

Zurborns Bilder bestehen aus schwer entwirrbaren Verschränkungen. Sie haben so viele Ereignis-Ebenen, dass die Wahrnehmung ziemlich strapaziert wird. Bilder, die offensichtlich sind, verwirft er, denn eine eindeutige Interpretation des Gezeigten ist ihm zu einfach. Statt dessen stürzt bilderrätselhaft ein Raumschiff durchs Format, außerirdisch anmutende Kakteen greifen nach noch viel unwirklich aussehenden Menschen, und alles scheint gründlich aus dem Lot geraten. Und auch wieder nicht. Denn die Kompositionen des Kölners sind raffiniert und heben die surreale Unruhe seiner Motive wieder auf. „Du bist nur am Bild interessiert, nicht an der Wirklichkeit“ warf man ihm als Student der FH Dortmund oft vor. „Genau“, antwortete er dann. Denn an den Mythos einer wahren, authentischen Darstellung der Welt durch die unbestechliche Fotografie konnte er nie so recht glauben. Mit Fotografie soll man nichts belegen, findet er. Sie soll vielmehr als Katalysator für eigene Erlebnisse funktionieren. Darum tauschte er den dokumentarischen Blick von oben auf die Dinge gegen eine subjektive, manipulative Sicht ein.

„Entweder man steckt drin, oder man muss es lassen“, ist seine Überzeugung. Und drin stecken kann bedeuten, dass man auch mal die Kontrolle abgibt. Wolfgang Zurborn behauptet nicht, er wisse im Moment des Auslösens bereits genau um Qualität und Aussage des entstandenen Bildes. Die Provokation des Zufalls findet er wesentlich spannender als einen kategorischen Purismus. So beschneidet er auch durchaus mal ein Negativ, wenn er dadurch das bessere Bild erhält.

Auch seine eigene Wahrnehmung hat Zurborn dressiert. Er schaut genauer hin, wo Aktionen gleichzeitig ablaufen, und wo sich aus diesem zufälligen Zusammentreffen eine ansprechende formale Qualität ergibt. Und seien sie inhaltlich noch so banal. So dringt er zu einer anderen Wahrheit vor, die statt eines absoluten Anspruchs, einfach nur behauptet: Auch so ist die Welt, manchmal.

 

Perspektivenwechsel

Kulturspiegel, 6/2001

von Peter Lindhorst

Der Kölner Fotograf Wolfgang Zurborn entzieht dem Betrachter den Boden unter den Füßen. Trainiert darauf, Bilder sofort zu entschlüsseln, scheitert der kläglich. Zurborns Bilder sind absichtsvoll konstruierte Szenen mit scheinbar falschen Aussagen: Lila Stoffkuh lebensgroß, Entertainementpark Bottrop, Kölner Karnevalswagen, Golfanlage in New York – sie wollen ihren Sinn nicht preisgeben. Zurborn isoliert Details, entzieht sie einer Perspektive des Sinns und zeigt ihre künstliche Augenblicklichkeit. Geschickt bedient er sich dabei des Lichts, das eine halluzinierende Farbigkeit erzeugt, unterläuft traditionelle Ausschnitte, arbeitet mit Unschärfe. Seine Welt, die sich aus den schönen Mythen der Medien speist, ist einer schräger Schauplatz. Nicht wir würden die Dinge anschauen, sondern die Dinge uns, sagte einst Jacques Lacan.

 

Wolfgang Zurborn dressur real

PHOTONEWS, 5/2001

von Denis Brudna

Für Widerstand ist es längst zu spät Lange bevor Hollywood über weitere folgen des Weltraum-SciFi nachgedacht hat, besetzten reale Aliens den Planeten. Obgleich wundersam, nahmen sie eine weit weniger markante Erscheinung an, als im Film dargestellt. Mimikry heißt das Zauberwort, durchtrieben ist ihre Strategie. Schleichend haben sie sich in allen Bereichen des Lebens etabliert, ihre Sprache und Kultur implantiert. Befallen sind öffentliche und private Bereiche und somit natürlich auch die Massenmedien, deren Multiplikationskraft richtig erkannt wurde. Sie kommunizieren inzwischen ungehemmt mit unauffälligen Mobilgeräten und vermüllen den Äther mit ihrem rätselhaften Gebrabbel und ihren kodierten SMS-Botschaften. Um die Aufmerksamkeit von sich zu lenken, provozieren sie mit teuflischer Raffinesse hier eine mittlere Krise, dort eine flächendeckende Seuche. Schleichend verändern sie so nach ihrem Geschmack und Willen die Welt.

Nur noch ein Teil der menschlichen Spezies ist gegen ihren Einfluß bislang immun. Hartnäckigen Widerstand leisten insbesondere manche Fotografen, deren aufmerksame Blicke die inzwischen fest installierten, perfiden Strukturen entdecken und diese fotografisch dokumentieren.

Die Bilder des Kölner Fotografen Wolfgang Zurborn können einen tatsächlich glauben machen, die Aliens eroberten inzwischen die Welt. Wie schon frühere Serien, ist sein neuestes Projekt „dressur real“, das aktuell in Buchform und Ausstellungen präsentiert wird, keine einfache Kost. Seine Sicht auf die umgestaltete Realität baut auf komplexe Schichtungen und oft überraschende Zeichensprache, wodurch der Betrachter zur intensiven rezipatorischen Mitarbeit aufgefordert wird. Zurborn zeigt Orte, die dank der strategischen Vorgehensweise ihrer Erschaffer eine veränderte, eine eigenständig neue Realität darstellen. Je subtiler der Wandel vonstatten geht, umso zielsicherer muß das Auge des Fotografen die wesentlichen Kristallisationspunkte erkennen und in fotografisch relevante Bilder umsetzen.

Gemessen an den noch existierenden Refugien der ursprünglichen Landschaft, zeigen Zurborns Bilder eigentlich Unorte, Plätze also, die dem menschlichen Naturell nur wenig entsprechen, die dennoch für viele scheinbar so überzeugend angeboten werden, dass sie problemlos angenommen und bevölkert werden. Die Simulation ist perfekt. Glänzende Oberflächen locken das Auge, die Pflegeleichtigkeit signalisiert das rationelle Konzept dahinter. Das eigentliche Chaos wird erst dann sichtbar, wenn der Fotograf für seine Bilder eine illegale Sicht verwendet, sich dem verordneten Betrachtungspunkt entzieht und die Szenen in anarchischer Unfassbarkeit darstellt. Erst unter diesem Blickwinkel wird die inszenierte Absurdität richtig entlarvt und verdeutlicht dargestellt. Interessant ist dabei die Tatsache, dass Zurborn selbst mit dem vorgefundenen visuellen Müll Bilder kreieren kann, die, auf eine Metaebene gehoben, einen ansprechenden ästhetischen Eindruck hinterlassen.

Obgleich „dressur real“ einen komplexen Eindruck vermittelt, lassen sich die einzelnen Bilder dank Zurborns kompositorischer Routine relativ leicht entschlüsseln. Dies funktioniert selbst bei Aufnahmen, die sich durch überaus komplizierte Schichtungen und perspektivischen Versatz auszeichnen und zunächst verwirrend wirken. Doch die Verunsicherung bleibt, weniger über die Art der Aufnahmen als über das, was man in ihnen entdecken kann. Es ist eine wundersame Welt, die Zurborn vor uns ausbreitet. Mit entlarvender Ironie und spürbarer Beunruhigung über den allgemeinen Wertverlust schafft der Fotograf Bilder, die sehr nachdenklich stimmen. Obgleich jeder von uns gleiche oder ähnliche Szenen bereits selbst erlebt hat, wirkt die serielle Ballung solcher Ansichten doch sehr irritierend. Dabei versucht Zurborn die fotografierten Szenen nicht unbedingt hässlicher zu machen, als sie ohnehin sind. Im Gegenteil, er spielt geschickt mit den verlockenden Farben und Formen und bietet somit genügend Anreize, diese Bilder systemkohärent zu konsumieren. Doch ist man nicht gänzlich der Dumpfheit verfallen, wird jedem schnell klar, diese Orte sind ideologisch und visuell verseucht. Verdutzt stehen wir vor der geschlossenen Glastür. Sorry, das Paradies ist heute geschlossen.

 

photography now, 4/01

von Jan Katz

Den Anblick einer wundersamen Welt bieten die im Buch „dressur real“ versammelten Fotografien von Wolfgang Zurborn. Bilder, die Irritation hervor rufen. In oft komplex geschichteten Kompositionen gibt Zurborn einen konzentrierten Blick auf absurd erscheinende Szenen, Orte und Gegenstände wieder: eine eingezäunte Golfanlage vor einer Hochhaus-Skyline, eine lebensgroße lila Kuh, gemolken von einem Kind, eine Betonmauer vor einem Elefantengehege, eine ins All fliegende Rakete hinter einem Absperrseil nebst der Spiegelung eines Parks…

Montagehaft konstruiert Zurborn Wirklichkeiten in seinen Bildern, in denen die Grenzen zwischen eigentlich „Künstlichem“ und „Natürlichem“ verwischt werden, obwohl die Motive erkennbar der sichtbaren Welt entstammen. Mit ungewöhnlichen visuellen Herausforderungen – provoziert durch das meist extreme Spiel mit Licht- und Farbgebung, mit Unschärfen und kühnen Bildausschnitten – bietet „dressur real“ eine anregende Bildlektüre, die mit Fragen an die Sehgewohnheiten auch Fragen an die Konstruktion unserer Lebenswelt formuliert.

 

dressur real

European Photography Art Magazine, Number 69, Summer 2001

von Christoph Schaden

Von dem englischen Verleger Dewi Lewis stammt die treffende Bemerkung, dass es zwar viele Bücher gebe, in denen die Fotografie für illustrative Zwecke eingesetzt werde, aber nur sehr wenige, die sie zu ihrem eigenen Recht als Medium der visuellen Kommunikation kommen ließen. Zu diesen wenigen Veröffentlichungen, in denen die Sprache der Fotografie intelligent auf das Medium Buch angewendet wird, zählt „dressur real“ von Wolfgang Zurborn. Als erster Band der von Klaus Honnef herausgegebenen Edition „Zeitsprung“ im Verlag Strauss erschienen, überrascht der Bildessay des Kölner Fotografen durch seinen erfrischenden, die konventionellen Zeitgeisterwartungen vehement durchkreuzenden Bildstil.

„Dressur real“ spielt bereits im Titel auf die kollektive Domestizierung des zivilisierten Menschen an, soweit es seine visuelle Kompetenz betrifft. Als These bezieht der Begriff den sehenden Konsumenten des Buches zwar hintergründig mit ein, als Anleitung ist „dressur real“ indes eine Denk- und Wahrnehmungsfalle. So startet die Bilderfolge rechtsseitig mit der Aufnahme eines hohläugigen Plastikmonsters, dessen Blick – nach Bildkonventionen der Romantik – den Leser ins Buch und zugleich ins Leere führt. Auf den folgenden 72 Seiten vereint Zurborn denn auch Farbaufnahmen unterschiedlichster Orte und Ereignisse der Erlebnisgesellschaft, deren Signifikanz offenkundig aussteht. Fotografien von Freizeitparks, Automärkten und Tiergehegen wechseln sich ab mit denen von Nationalfeiertagen, Demonstrationen und den eher trist zu nennenden Momenten des Alltags. Jede inhaltliche logische Klammer wird konsequent unterminiert. Zurborns Bildinventionen nutzen statt dessen, abseits der Verführungsstrategien der Werbemedien, virtuos die vielschichtigen Möglichkeiten der Montage, um die Bildflächen von den Motiven zu befreien und als derart „emanzipierte“ Bilder eigentümlich beklemmende wirken zu lassen. In den Bildpaarungen der Doppelseiten wird der Effekt der Paralyse oftmals gesteigert und zuweilen ironisch gebrochen. Zurück bleibt die Verwunderung darüber, dass dieses kryptische Bilderrätsel zwar im besten Sinne originär, jedoch auch seltsam vertraut anmutet.

 

Im Layrinth der Zeichen

Photo Technik International, 1/1999

von Hans-Eberhard Hess

 

Frischzellenkur für die Lichtbildnerei

Wenn Fotografen tagen: Vier Ausstellungen an ungewohnten Orten in Leinfelden-Echterdingen

von Andreas Langen

Unübersichtlich kann es zugehen, wenn man Fotografen in die Stadt lässt. Leinfelden-Echterdingen tut dies trotzdem – oder, wahrscheinlicher noch, deswegen. Einmal im Jahr treffen sich dort die Mitglieder der Deutschen Fotografischen Akademie (DFA) zu Bilderschau und Preisverleihung; und wenn sie alle wieder heimgereist sind, dann bleibt dem Tagungsort eine ansehnliche Frischzellenkur in Sachen Fotokunst.

Gleich vier Ausstellungen in Leinfelden und Umgebung hat die DFA-Tagung dieses Jahr hinterlassen, ein weit gespannter Parcours von Fotografie ebenso wie von Präsentationsweisen. Denn der Rundgang lenkt die Aufmerksamkeit schnell auf eine Tatsache, die bei der Betrachtung vor Bildern leicht zu übersehen ist. Das Exponat an sich gibt es nicht, sondern nur das Exponat im Raum – und der redet gewichtig mit, wenn es um die Wirkung des Ausgestellten geht. Weil Künstler und Ausstellungsmacher das wissen, gehen sie gerne auf Nummer sicher. Damit keine unstatthafte Annäherung zwischen der Kunst und dem Leben stattfindet, trennen sie die beiden Sphären gerne gründlich

Dem kommt in Leinfelden die Ausstellung im alten Rathaus am nächsten – Räume mit optimaler Ausleuchtung, einzig der Kunst geweiht. Hier ist ein Höchstmaß an Ungestörtheit garantiert, um sich den Werken von Helga Abendschein und Frank Kleinbach zuzuwenden. Abendschein hat ihre poetische Land-Art fotografiert, Bilder von Blüten- und Salzkreisen auf Äckern und an Meeresufern; Kleinbach macht unheilvolle Historie mit programmatisch düsteren und gleichzeitig hoch präzisen Fotografien sichtbar – er dokumentiert Überreste des KZ-Außenlagers Wüste 10 bei Hechingen. Zu beiden Arbeiten passt die sakrale Stille des Kunsttempels, die sich in anderer Form im Stadtarchiv wiederholt.

Dieses liegt in einem renovierten Gewerbebau und verfügt über ein weitläufiges Foyer, das per Licht- und Hängeleisten zum Ausstellungsraum gemacht wurde. An den makellosen Wänden prangen derzeit Juwelen aus dem Archiv der DFA, nämlich Klassiker der fünfziger Jahre von Robert Häusser, Peter Keetman, Toni Schneiders, Willi Moegle und Fee Schlapper. Sparsam in der Anzahl, aber hochwertig in der fotohistorischen Bedeutung, behaupten sich die edlen Stücke mühelos gegenüber dem großen Raum. Die Mischung aus Behörden- und Präsentationsraum nimmt der kühlen Bilderhalle bereits etwas von ihrer Steifheit – wenn nebenan mal der Kopierer rauscht, sind die musealen Schätze dezent ins wahre Leben integriert.

Dieses gastiert täglich am Ort der DFA – Tagung und in ihrer zentralen Ausstellung, der Filderhalle. Dieses Mehrzweckmonster bietet so ziemlich alle Scheußlichkeiten seiner Gattung, und genau diese Ruppigkeit macht seinen Charme aus. Die Tropenbilder von Alex Webb werden hier genauso behandelt wie jeder andere Einrichtungsgegenstand auch: von der praktischen Seite. Bilder hängen eben an den Wänden, damit sie nicht kahl sind, aber wenn für ein Buffet ein Kühlschrank oder ein paar Stehtische platziert werden müssen, dann kann’s halt mal eng werden. Das passt aufs Überraschendste zu Webbs Sichtweise. Auch er bevorzugt halbverdeckte Gegenstände, spiel mit Ausschnitten und thematisiert vor allem immer wieder das Chaotische, Unsortierte des Alltags. Der ist dank der tropischen Breitengrade seiner Motive knallbunt und dank Webbs souveränem Gestaltungswillen immer eindringlich, oft seltsam düster, wiedergegeben. Kurzum, die gerahmten Kraftpakete ringsum können es sich sogar leisten, mit ihrem ungeschleckten Ambiente zu spielen, so locker geben sie den Ton an.

Einen härteren Gegner haben nur noch die Bilder von Wolfgang Zurborn, die es in einen leibhaftigen Friseursalon verschlagen hat. So mancher Vollblutkünstler hätte bei solcher Zumutung indigniert abgelehnt – Zurborn war klug genug, es nicht zu tun. Denn die Tiegel, Spiegel, Trockenhauben und Raumteiler – von ondulierten Damen zu schweigen -, mit denen sich seine Arbeiten den Raum teilen, ergeben im Dialog mit den Fotografien ein Gesamtkunstwerk, wie es stimmiger in keinem noch so edlen Museum zu haben wäre. Zurborn holt das alltägliche Wirrwarr der Gegenstände und Menschen auf die Bildfläche. Kunterbunt taumeln da Vergnügungsparks, Kinderspielzeug, Baustellen, Rentnermode und Restnatur durcheinander – so bizarr und fröhlich, als würde Mickey Mouse mit Kafkas Franzl einen draufmachen. Und all das beim Coiffeur in Musberg – wenn das keine schöne Überraschung ist.

 

Von Körpern und anderen Dingen - Deutsche Fotografie im 20. Jahrhundert

Eine Ausstellung in Bochum

von Peter V. Brinkemper

 
 

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