DEEN

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Vorgarten der Illusionen

 

„Wir hören auf, in einer vieldimensionalen Welt der Wirklichkeit zu leben, in einer Welt. Die alle Aspekte der menschlichen Persönlichkeit, von ihrem Knochenbau bis zu ihren zartesten Empfindungen, spielen lässt. An ihre Stelle haben wir…eine Welt aus zweiter Hand, eine Geisterwelt gesetzt, in der jeder ein nur abgeleitetes Leben aus zweiter Hand lebt. …Bilder dringen so unablässig, so beharrlich auf uns ein, dass wir, was unsere eigenen Absichten angeht, ebenso gut gelähmt sein könnten, so unerwünscht sind unsere Regungen in uns selbst.“

Lewis Mumford, Eine Welt aus zweiter Hand (1952)

Diese S/W Aufnahmen entstanden in den frühen 1980er Jahren. Im Rahmen der Diplomarbeit an der FH Dortmund fotografierte Wolfgang Zurborn unter anderem auch in diversen Freizeitparks in Westdeutschland.

Die Arbeiten wurden bisher selten ausgestellt (so 1986 “Freizeitparks in Deutschland” - Bayerische Staatslehranstalt für Photographie, München), eine Publikation ist nicht erschienen. Einige Abbildungen wurden im Booklet zu Playtime veröffentlicht.

1985 erhielt Wolfgang Zurborn den Otto Steinert - Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie

 
 
Einzelausstellungen
2009 Drift – Fotografien 1980-2006
Haus der Photographie, Deichtorhallen, Hamburg, Deutschland
1988 Freizeitparks und andere Fotografien 1981-1984
Landesbildstelle, Hamburg, Deutschland
1986 Freizeitparks in Deutschland
Bayerische Staatslehranstalt für Photographie, München, Deutschland
Gruppenausstellungen
2016 Bewegung im Blick
Die Kölner Fotografenszene der 70er- und 80er-Jahre
artrmx-Galerie, Köln, Deutschland
2010 ÜberTage – Pixelprojekt Ruhrgebiet
Kunstmuseum Mülheim, Deutschland
2008 Pixelprojekt Ruhrgebiet
Wissenschaftspark, Gelsenkirchen, Deutschland
1982 52 junge deutsche Fotografen
Galerie Gaiser, Weißenhorn, Deutschland
(Katalog)
1985/86 Zum Beispiel Fotografie
Arbeiten von Studenten der FH Dortmund
buk-Galerie, Dortmund; Fachhochschule Köln; Museum für Photographie, Braunschweig; Brunswiker Pavillon Kiel; Theaterhaus Stuttgart, Dortmund, Köln, Braunschweig, Kiel, Stuttgart, Deutschland
 

Fotografien aus deutschen Freizeitparks

von Wolfgang Zurborn

„Früher war ein Bild ein seltenes Symbol … Heute ist es die unmittelbare Erfahrung, die selten ist. (Lewis Mumford, Eine Welt aus zweiter Hand)“

Ich spüre an mir selbst, wie tief die Bilder, z.B. am Fernsehschirm oder in Filmen aufgenommen, in mir stecken, und wie sehr sie es oft verhindern, eine eigene Identität zu finden. Ich kenne auch das Gefühl, wie sein eigenes Empfinden dadurch verkürzt wird, nur noch auf symbolische Reize zu reagieren, die Wirklichkeit in ihrer Vielfältigkeit kaum mehr wahrzunehmen. Trotzdem kann ich diese Bildwelten nicht verleugnen, da sie eine immer wichtigere Rolle in unserer Zeit spielen, unser Leben von ihnen geprägt wird.

Ich glaube, mag es auch zunächst merkwürdig klingen, gerade in den Freizeitparks Bilder zu finden, die etwas über unsere „Wirklichkeit“ erzählen. Was soll aber an dieser Plastikwelt wirklich sein, die einem vorgaukelt, man könne hier auf die Reise nach Chinatown, Mexiko und in den Wilden Westen gehen. Mir fällt dazu ein Satz von Günther Anders ein, der in seinem Aufsatz „Ikonomanie“ ( Bildersucht) 1956 geschrieben hat: „Wirklich ist für den Touristen nicht der in Venedig liegende Markusplatz, sondern derjenige, der in seinem Fotoalbum liegt.“ Wir leben in einer Gesellschaft, in dem das Sein nicht mehr dadurch definiert ist, an etwas teilzuhaben, es zu verstehen, sondern Sein mit Besitz gleichgesetzt wird. Nicht wirkliches Interesse am Objekt ist die Motivation, zu fotografieren, sondern das Gefühl, mit dem Bild die Sehenswürdigkeit zu seinem Eigentum zu machen. So macht es dann auch keinen Unterschied mehr, ob man die „Bilder der Welt“ als Tourist in fernen Ländern, oder, von cleveren Geschäftsleuten adrett präsentiert, in den Freizeitparks konsumiert.

Je länger und intensiver ich das Leben in den Parks beobachte, die Art und Weise, wie Menschen Unterhaltung und Ablenkung suchen, wie sie miteinander umgehen, wie sie essen und höre, was sie sich zu sagen haben, desto mehr muss ich begreifen, wie tief dieses Bewusstsein in alle Bereiche unseres Lebens eingreift. In dieser Welt bleibt kaum mehr Raum, eigene Phantasie und Lebenslust zu entwickeln, seine Persönlichkeit im vielfältigen Sinn auszuleben. Je perfekter die Parks ausgebaut sind, desto weniger geben sie uns die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. Millionen von Mark [Anm. d. Red: Währung vor dem EURO] werden ausgegeben, um Attrappen aufzubauen, die uns vortäuschen, dass wir hier vor dem Alltag fliehen könnten. Die Motive für diese Kulissenlandschaften entstammen einer Fernsehwelt, die in ihren Bildern Mythen erzeugt, die sich letztlich gegen die Interessen der Menschen richten, da sie nicht auf wirklichen Erfahrungen aufbauen, eigentlich überhaupt nicht mehr auf Wirklichkeit reagieren. Sie führen ein gefährliches Eigenleben, da sie keinen anderen Sinn haben, als den, konsumiert zu werden.

Die Vorbilder für diese Freizeitparks kommen aus Disneyland, und im Amerika Ronald Reagans können wir auch verfolgen, wie der Geist Walt Disneys sich aller Bereiche des öffentlichen Lebens, der Politik, des Sports, der Architektur usw. bemächtigt. Jürgen Leinemann schreibt in seinem Artikel „Kino der Gefühle“ über Amerika vor der Wahl (1984): „Das Land verkleidet sich zu einer mit Geschichte kokettierenden urbanen Science-Fiction-Kleinstadt … Die Amerikaner sind in hellen Scharen auf dem Rückzug aus der Realität.“

Als ich in diesem Sommer durch die Parks in Deutschand, die jährlich Millionen von Besuchern aufweisen können, gelaufen bin, hatte ich auch das Gefühl, mich in einem Modell für eine Gesellschaft zu bewegen, die den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat und sich immer mehr sich selbst gegenüber entfremdet. So ist es auch kein Zufall, dass bei fast allen Vorführungen computergesteuerte Puppen für die Unterhaltung sorgen. Ihr Vorteil ist wohl, dass sie, nie launisch oder müde, ständig für Spaß sorgen können. Je weiter wir uns aber in diese künstliche Welt flüchten, je weniger können wir mit uns selbst anfangen – ein Teufelskreis, der sich fast zwangsläufig schließt.

Die ersten Aufnahmen, die ich im Phantasialand gemacht habe, zeigten eine deutliche Distanz zum Geschehen. Ich reagierte aggressiv, da ich überall, in jedem Detail, den Geist spürte, der diese Traumwelt aufgebaut hat, geprägt von klein kariertem Ordnungsdenken und klinischem Sauberkeitswahn. Nur die Illusionswelten handeln von Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen. Je länger ich aber fotografierte, desto klarer wurde mir, dass meine Motivation zu fotografieren nicht darin liegt, Bilder zu machen, die Beweise liefern für Gedanken, die mir glauben helfen, über den Dingen zu stehen. Es geht mir vielmehr darum, mich als Teil dieser Welt zu begreifen und in den Fotografien Spiegelbilder meiner Empfindungen ihr gegenüber zu finden. Ich verspüre den Drang, immer wieder neu alltägliche Szenen wahrzunehmen, da sie am meisten über unsere Ängste, Enttäuschungen, Wünsche und Sehnsüchte erzählen. Genau diese Gegenwart aber geht in unserem Bewusstsein immer mehr verloren, da sie, wie Günther Anders schon 1956 geschrieben hat, zum Mittel für das „es wird gewesen sein“ degradiert wird, zu etwas Unwirklichem und Phantomhaftem. Es scheint so, als ob es für den Einzelnen kaum mehr eine Rolle spielt, wie sich das Leben in den Freizeitparks darstellt, da es letztlich nur noch darum geht, das Bedürfnis nach Bildern zu befriedigen.

Die Fotografien entstanden in den Freizeitparks: Phantasialand (Brühl), Fort Fun (Bestwig), Tramlandpark (Bottrop), Holidaypark (Haßloch), Europapark (Rust).

 

Rezensionen

Wolfgang Zurborn

Auslöser, Ausgabe 1 - März 2019

von Niko Havranek & Sebastian Gansrigler

Interview von Niko Havranek & Sebastian Gansrigler mit Wolfgang Zurborn auf 28 Seiten mit 24 Abbildungen aus den Serien “Vorgarten der Illusionen”, “Menschenbilder-Bildermenschen”, “LUsionen”, “dressur real”, “Im Zentrum der Geschwindigkeit”, “Drift”, “Catch”, “Mitten im Westen” und “Karma Driver”

 

Bewegung im Blick

Die Kölner Fotografenszene der 70er und 80er Jahre
Stadtrevue, 9/2016

von Jürgen Raap

 

Drift - Fotografien 1980-2006

Ausstellung im Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg
PHOTO PRESSE, 20.5.2009

von Brigitte Henninges

 

Geheimnisse hinter der Wirklichkeit

Fotografie Ausstellungen mit Bildern von Herbert Tobias und Wolfgang Zurborn in den Deichtorhallen
Hamburger Abendblatt / LIVE, 7. bis 13. Mai 2009

von Heinrich Oehmsen

 

Außergewöhnliche Doppelschau der Fotografen Tobias und Zurborn

Mit einer bislang einzigartigen Doppelschau präsentiert das Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen das Werk zweier bedeutender Vertreter der deutschen Autorenfotografie.
AD HOC NEWS, 6.5.2009
 

Erste umfassende Werkschau von Wolfgang Zurborn

Red Box, Mai 2009
 

Unter vier Augen

Haus der Photographie zeigt Werke von Herbert Tobias und Wolfgang Zurborn
Die Welt, 7.5.2009

von Frank Keil

 

Wolfgang Zurborn Drift

Ausstellung im Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg
PROFIFOTO, 6.2009
 

Perfekte Schnappschüsse

Fotografische Arbeiten von Wolfgang Zurborn
TAZ, 15.1.1988

von MOSCH

 

Wo Deutsche am häßlichsten sind

TAZ, 25.7.1988

von Swantje Siebke

 

Dortmunder Fotograf Wolfgang Zurborn erhielt den Otto-Steinert-Preis zuerkannt

Westfälische Rundschau, 23.5.1986
 

Herr und Hund und andere Bilder

Ausstellung im Museum für Photographie in Braunschweig
Braunschweiger Zeitung, 30.10.1986
 

PHOTOPRESSE, 1986

von Frank Frese

 

Wolfgang Zurborn

Camera Austria, 21/86
 

Der Blick aus den Tälern

Bericht aus den Niederungen der Hochschule
Katalog Zum Beispiel Fotografie, 1985

von Hans Scheurer

 

Foto-Studenten suchten Spuren der Wirklichkeit

Fachhochschüler stellen in buk-Galerie aus
WAZ, 24.9.1985
 

Fotografie abseits der Klischees

15 Dortmunder in der Galerie buk
DoK, Oktober 1985
 

Stipendium Otto-Steinert-Preis: Menschenbilder - Bildermenschen

PHOTOGRAPHIE, 4 1986

von Petra Olschewski

 

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