DEEN

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AU CENTRE DE LA VITESSE
La Mission Photographique Transmanche

Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais

 

“Im Auftrag des Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais haben sich bisher 22 Fotografen mit den vielschichtigen Veränderungen der Region beschäftigt und diese auf ihre jeweils spezifische Weise interpretiert. Das Projekt La Mission Photographique Transmanche signalisiert bereits durch Autorennamen wie Josef Koudelka, Bernard Plossu, Martin Parr, Lewis Baltz, Bruce Gilden oder Marilyn Bridges, wie weit das stilistische Potential der bisher realisierten Serien reicht. (Denis Brudna in PHOTONEWS 11/1996)”

 
 
Einzelausstellungen
2012 Im Zentrum der Geschwindigkeit
Galerie de la Corderie, Marcq-en-Baroeul, Frankreich
2010 Im Zentrum der Geschwindigkeit
Galerie Villa Ruh, Zingst, Deutschland
1998 Au Centre de la Vitesse
Foto Manifestatie, Eindhoven, Niederlande
1997 Au Centre de la Vitesse
Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais, Douchy les Mines, Frankreich
(Buch)
1997 ART NTC
Doppelausstellung Wolfgang Zurborn - Fotografische Arbeiten, Justus Mandelaub - Gemälde
Neurologisches Therapiezentrum, Köln, Deutschland
1996 Im Labyrinth der Zeichen
Staatliche Galerie Moritzburg, Halle, Deutschland
Gruppenausstellungen
2012 Voices of the Sea
Musée des Beaux-Arts, Calais, Frankreich
2011 Faites comme chez vous
Centre Régionlae de la Photographie Nord Pas de Calais, Douchy Les Mines, Frankreich
2007 Univers Industriel - Un parcours dans la collection du CRP
galerie de L'ancienne poste, Douchy-les-Mines, Frankreich
2003 Neuerwerbungen
Staatliche Galerie Moritzburg, Halle, Deutschland
2001 Luoghi Come Paesaggi
Museo di Fotografie Contemporanea, Milano; L'Ospitale, Rubiera, Italien
2000 Luoghi Come Paesaggi
Galleria degli Uffizi, Biblioteca Magliabechiana Florence; L'Ospitale, Rubiera, Italien
2000 160 ans de photographies
Musée des Beaux Arts et de la Dentelle a Calais, Frankreich
1999 Paysage Urbains
École d’Architecture de Lille, Frankreich
1997 Susanne Greven, Maix Mayer, Wolfgang Zurborn
Fotografische Arbeiten
f • m • schwarz galerie, Köln, Deutschland
1996 10 Jahre Galerie Lichtblick
Photokina, Köln, Deutschland
1996 Mission Photographique Transmanche - Im Zentrum der Geschwindigkeit
DuMont Kunsthalle, Köln, Deutschland
 
 

Rezensionen

Wolfgang Zurborn

Auslöser, Ausgabe 1 - März 2019

von Niko Havranek & Sebastian Gansrigler

Interview von Niko Havranek & Sebastian Gansrigler mit Wolfgang Zurborn auf 28 Seiten mit 24 Abbildungen aus den Serien “Vorgarten der Illusionen”, “Menschenbilder-Bildermenschen”, “LUsionen”, “dressur real”, “Im Zentrum der Geschwindigkeit”, “Drift”, “Catch”, “Mitten im Westen” und “Karma Driver”

 

Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais

Im Zentrum der Geschwindigkeit

von Wolfgang Vollmer

In einer Reihe von Veröffentlichungen des Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais setzen sich die beauftragten Künstler ( u. a.: Josef Koudelka, Martin Parr, Lewis Baltz, Olivo Barbieri ) mit der Region am Ärmelkanal auseinander. Wolfgang Zurborn zeigt in verschiedenen Einzelbildern und Triptychen seine Beobachtungen am Rande der Eröffnungsfeierlichkeiten des Eurotunnels auf französischer Seite. Die Einzelbilder unterliegen einem scheinbar demokratischen (und bewusst herbeigeführten) Abbildungsprinzip. Der eigentliche Bildgegenstand ist nicht direkt auszumachen und von allen Seiten ragen erkennbare, manchmal auch nicht zu identifizierende Gegenstände, Architekurdetails oder Körper ins Bild hinein. Die „unzusammenhängende“ Bildgestaltung schafft eine eigentümliche Dichte und Komplexität, man ist sehr nah, sehr direkt in der Szene. Der Aufbau wirkt inszeniert und spielt bewußt mit Realität und Surrealität, in deutlicher und direkter Farbigkeit (viel Sonne und Blitz von vorne) und mit präziser Schärfe und/oder klaren Unschärfen. Die Rezeption der Bilder ist trotz ihrer optischen Auffälligkeit nicht einfach. Die Menschen sind seltsam eingefroren und man wird unwillkürlich an Cartier-Bressons Leitmotiv erinnert. Doch hier scheint es sich nicht um den Höhepunkt einer Szene zu handeln, sondern um ein Loch, ein Wendepunkt, die Nullstelle, an der die Abgebildeten nach möglichen Gedanken suchen. Diese Triptychen sind fast menschenleer und zeigen die Dingen noch ausschnitthafter und reduzierter. Die Arbeiten spielen noch deutlicher als die Einzelbilder mit Formen, Linien und Rastern. Auch hier entsteht eine Dichte und Kompaktheit, die den visuellen Zugriff nur schwer zuläßt. Die Objekte sind real und faßbar aufgenommen, ihre Detailhaftigkeit entrückt sie aber der Wirklichkeit. Zurborn schafft Verbindungen und Verweise, zitiert Formen und Vorgaben, läßt sie miteinander kooperieren. Ein Kreissegment wiederholt er mit überraschender Vielfalt, ein verstellter Ausblick wird, sich überlappend und interpretierend, zu einem Panorama einer irrealen Kunstwelt. Die fehlende Integration der Region in dieses Hochgeschwindigkeitsprojekt unserer Zeit wird von Zurborns Bildern thematisiert. Der Eurotunnel wirkt hier befremdlich und mißverständlich. Das technisch Machbare schafft hier keine Euphorie sondern nur stumme Neugier. Zurborns Umgang mit Fotografie ist eigenwillig, ungewöhnlich und ist mit bekannten (Foto-)Zeichensprachen nicht vergleichbar. Die Bilder, mit ihrer Qualität der visuellen, thematischen und fotografischen Ambivalenz, haben auf Grund ihrer Genauigkeit und Raffinesse die Gefahr einer Überperfektion. Die hohe Qualität aller Editionen ist erstaunlich, wenn man bedenkt, daß üblicherweise in Frankreich das Interesse an Fotografie eher den eigenen, journalistisch arbeitenden Fotografen zukommt. Somit warten wir gespannt auf die nächste Veröffentlichung des Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais.

 

Im Zentrum der Geschwindigkeit

von Pierre Devin

Der Bau des Tunnels unter dem Ärmelkanal ist das Symbol für die Konstruktion Europas und die Erschliessung seines Territoriums. Bei dieser Erschliessung stehen Hochgeschwindigkeitskommunikations – und Verkehrsnetze an privilegierter Stelle. Die Macht hat über das just–in–time der Kommunikationslogistik entschieden. Geschwindigkeit und just–in–time bis zur (Über)Sättigung werden Attribute der Macht selbst.

Die Aufhebung der natürlichen Hindernisse geht notwendig einher mit einer Banalisierung des Reisens, mit einer kosmopolitischen Uniformisierung der Transitorte und sogar der Reiseziele selbst, die sich in einer aus Piktogrammen und Elementarenglisch bestehenden “Sprache” artikuliert. Ob es einmal wie bei der Transsibirischen Eisenbahn, beim Simplon Orient Express, oder der Etoile du Nord eine Prosa des Eurostar geben wird?

Wolfgang Zurborn hat sich an zwei gleichermaßen bezeichnenden Momenten für diesen “Kompressionspunkt” von Bedeutungen der zeitgenössischen Welt interessiert. Entscheidend ist für ihn zum einen der Moment der Einweihung als Zusammenspiel öffentlichkeitswirksamer Projektion von Bildern und, wenn möglich, sonstiger überhöhender Einstimmungen – denn im Grunde ist ja ein Pendelzug nichts weiter als eine internationale U-Bahn. Das zweite Moment bildet die Cité de l’Europe, die ein ständiges Panorama des Kontinents sein will und sich in Form eines Einkaufszentrums darstellt. Hätte man sich ein besseres Symbol ausdenken können?

Merkwürdige Reminiszenz: 1844 interessierte sich Turner mit seinem Gemälde Rain, Steam and Speed erstmalig für die Eisenbahn und ahnte damit schon die mit der Geschwindigkeit verbundene Veränderung der Wahrnehmung von Welt. Eine Welt flüchtiger Eindrücke, die für Monet und Pissaro zur Offenbarung werden sollte.

Rund um das zentralste Dispositiv des Hochgeschwindigkeitszugs hält dagegen Wolfgang Zurborn den just-in–time–Fluss der bewegten Bilder an, in denen wir leben. Dieses ironische Anhalten ist eminent politisch. Nicht mehr der Konsument, nicht der Kunstliebhaber, der Bürger ist verlangt. Er braucht Zeit und Stille zum Denken.

Aus dem französischen übersetzt von Stefan Barmann

 

Im Zentrum der Geschwindigkeit

PHOTONEWS, 11/1996

von Denis Brudna

Mit dem Bau des Eurotunnels zwischen Frankreich und England sollte nicht nur die Reisezeit verkürzt, sondern auch ein Zeichen gesetzt werden. Obwohl sich durch die Inbetriebnahme auf beiden Seiten des Kanals alte Vorurteile nur bedingt verändern lassen, verkörpert die profane Rohrverbindung doch so etwas wie ein Symbol. Nicht nur die feste Anbindung des Inselreiches an den Kontinent, auch die auf beiden Seiten vollzogenen landschaftlichen Änderungen wirken symbolhaft. Die Region Calais, zuvor eine eher schmucklose Anlegestelle für die Fährpassage nach England, gewann durch die Tunnelinfrastruktur an strategischer Bedeutung. Mit modernster Technik wurde hier die Landschaft neu inszeniert.

Im Auftrag des Centre Régional de la Photographie Nord Pas-de-Calais haben sich bisher 22 Fotografen mit den vielschichtigen Veränderungen der Region beschäftigt und diese auf ihre jeweils spezifische Weise interpretiert. Das Projekt La Mission Photographique Transmanche signalisiert bereits durch Autorennamen wie Josef Koudelka, Bernard Plossu, Martin Parr, Lewis Baltz, Bruce Gilden oder Marilyn Bridges, wie weit das stilistische Potential der bisher realisierten Serien reicht.

Die aktuellste Arbeit unter dem Titel Im Zentrum der Geschwindigkeit stammt von dem Kölner Fotografen Wolfgang Zurborn. Wer Zurborns Werdegang verfolgt, weiß, wie sich seine Fotografie im Laufe der Zeit veränderte. Die Facetten reichen von eher dokumentarisch-journalistischen Schwarzweißserien bis zu farbigen Bildmontagen der jüngsten Periode. Bei der aktuellen Arbeit zu dem Tunnel-Thema verband Zurborn verschiedene stilistische Wege zu einer stimmigen Einheit.

Der Autor nahm sich nahezu archäologisch des Themas an. Wie in einem geschichtlich-kulturellen Sediment grabend, entdeckte er mit seiner Kamera alle wesentlichen Schichtungen, die das konkrete Thema Tunnel beschreiben, er dokumentiert jedoch auch die weit komplizierteren kulturgesellschaftlichen Verflechtungen und Widersprüche. Doch sprechen wir vom Dokument, ist bei dieser Bezeichnung sortierende Sorgfalt angebracht. Zurborns Bilder sind zwar durchaus real und erzählerisch, besitzen dennoch, vor allem in Form der Bildcollagen eine starke abstrahierende Tendenz. Bei der Betrachtung seiner Arbeit wird offensichtlich, welche Position er persönlich zu der werbewirksam formulierten Idee des Tunnels bezieht. Doch seine kritische Hinterfragung der vor Ort vorhandenen und neu geschaffenen künstlichen Urbanität verliert sich nicht in der bloßen Anklage, sondern liefert ernsthafte gedankliche Ansätze. Entstanden ist eine Arbeit, die den Betrachter durch ihre Vielschichtigkeit anregt und fordert. Obgleich sich die beiden angewandten stilistischen Wege im ersten Augenblick nicht zwingend gleichen, entdeckt man beim genauen Studium eine durchaus vorhandene Einheit.

Gezeigt wird eine Urbanität, die wie aus Fertigbauteilen zusammengesetzt wirkt. Wenn ein eher fades Stück Landschaft auf Neuzeit getrimmt werden soll, müssen kraftvolle Gesten die kulturellen Defizite ausgleichen. Zurborns zuvor genannte archäologische Vorgehensweise bringt auch jene Schichten ans Tageslicht, die den Menschen in seiner Verlogenheit entlarven. Auf der einen Seite die Inszenierung der konservierten Verteidigungsanlagen und Militaria aus dem letzten Krieg. Auf der anderen Seite werden in selber Manier Konsumtempel, organisierte Grünanlagen oder Orte der Vergnügung angelegt.

In einer fast didaktischen Methode zeigt Zurborn in seinen Einzelbildern vielschichtige Szenen, die man oft nicht besser hätte inszenieren können, geht dann in seinen collagierten Triptychen doch noch ein Stück weiter in Richtung Abstraktion. Und genau diese Vorgehensweise macht sein Projekt so spannend. Würden alle die verwirrenden Blicke auf eine synthetische Welt nur in der collagierten Form angeboten, hätte der Betrachter sicher Mühe, sich in den vielschichtigen Botschaften aus dargestelltem und transformierten Zeichen zurechtzufinden. Durch die Kombination mit “normalen“ Einzelbildern bietet der Autor eine vetraute Sicht, obgleich auch diese formal geordneteren Bilder ebenfalls eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit der Strukturen und Handlung offerieren. Der Gebrauch von Farbe ist in diesem Fall zwingend. Denn hätte der Autor nur die Schwarzweißscala gewählt, würde die Arbeit eine unangemessene Dramatik erhalten.

Der Mensch in Zurborns Bildern ist Mittelpunkt und Marginalie zugleich. Wie im Auge des Orkans herrscht auch hier, Im Zentrum der Geschwindigkeit eine offensichtliche Behäbigkeit und Trägheit. Die Akteure wirken eher passiv und stehen dadurch im Widerspruch zu der suggerierten Dynamik.

Es bleibt unbestritten, daß der Tunnelbau emotional belastet war und letztendlich geblieben ist. Doch weit markanter tritt hervor, in welch trivialer und unbeholfener Form sich der europäische Gedanke manifestieren soll. Mit futuristisch anmutenden Bauwerken schafft man zwar eine zeitgeistliche Hülle, diese wird jedoch in Disneyland-Manier mit austauschbarer Konsumvernetzung versehen, die banaler nicht hätte sein können. Unter dem Motto : Der Tunnel rückt ins Zentrum Europas
wird eine verschlafene Region entwurzelt und ins vermeintliche Zentrum gezerrt, doch was das Besondere sein soll, ist wieder nur ein nivellierendes und austauschbares Einerlei. Suggestion verbunden mit Animation schafft hier erneut nicht mehr als die Ansammlung von kalter Pracht.

Zurborn weiß um die Problematik, ließ sich dennoch nicht dazu hinreißen, einen vernichtenden Rundum-Kahlschlag zu zelebrieren. Trotz des offensichtlich kritischen Standpunktes penetriert der Autor seine Meinung nicht. In vielen Fällen läßt er die Situation nur wirken und überläßt die Wertung dem Betrachter. Somit wird die Auswahl seiner Motive zwar als autorische Leistung deutlich, die Arbeit wirkt jedoch nicht dogmatisch.

 

Sprungbrett für Talente

Mit Fotografie Profil gewonnen: Galerie Lichtblick feiert zehnjähriges Bestehen
Kölnische Rundschau, 28./29.9.1996

von Bruno F. Schneider

 

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